ein "Homo Philosophicus"?
Der Beginn eines neuen Jahres bringt oft Vorsätze mit sich, Gedanken über die Zukunft und gelegentlich auch eine philosophische Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben. Diese Reflexionen führten mich zu der Frage, ob jeder Mensch ein philosophisches Wesen ist, ein "Homo Philosophicus".
Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das in der Lage ist, über sich selber zu reflektieren. Ob er es dann tut und ob er die "Weisheit liebt", ist eine andere Sache. Diese bedingt nämlich, dass er über sich hinausdenkt und sich in diesem Zusammenhang auch mit seiner eigenen Endlichkeit und dem Sinn seines Lebens auseinandersetzt.
Diese Debatte mit sich selbst braucht nicht nur Willen und Anstrengung, sie muss auch stimuliert werden. Da es heute nicht mehr zwangsläufig die heiligen Schriften unserer Vorfahren oder die damit verbundenen Riten und Traditionen der Religionen sind, die uns zur Selbstreflexion anregen, stellt sich die Frage, woher diese Stimuli oder Impulse stammen könnten.
Könnte die Philosophie selbst, die bildende Kunst, die Literatur oder könnten gar aktuelle Nachrichten aus aller Welt oder die Wissenschaften uns entsprechend anregen?
Ich denke, die Impulse können von überall kommen: Aus der Natur, einem Film, einem Gedicht, ja sogar aus einer Nachricht über ein Geschehen, eine technische Errungenschaft oder ein historisches Ereignis. Wichtig ist nicht der Ursprung des Impulses, sondern dass wir ihn auf unser Ich beziehen, welches wir - bildlich gesprochen und im Sinne eines Homo Philosophicus - nicht als den Nabel der Welt, sondern als ein kleines, funktionierendes Teil eines grossen Ganzen betrachten müssen. Letzteres ist wohl die wesentlichste Erkenntnis eines "Homo Philosophicus", die eng mit den Tugenden der Demut, Dankbarkeit, Verbundenheit und Vernunft verknüpft ist.
Nein, nicht jeder Mensch ist automatisch ein "Homo Philosophicus". Um dies zu sein, muss er zuerst lernen, tiefgründig über sich selbst und über seine Beziehung zur Welt zu reflektieren und bereit sein, die Folgen dieses Nachdenkens auch zu praktizieren.
Jeder "Homo Philosophicus" wird in der Lage sein, vernünftig und zu seinem eigenen Vorteil - möglichst ohne anderen und anderem zu schaden - mit der empfundenen Sinnlosigkeit des Lebens, die im Tod ihren Höhepunkt findet, umzugehen.
Was würde wohl der berühmte Philosoph Sokrates zu meinem Aufsatz sagen? Wahrscheinlich würde er mich darauf hinweisen, dass auch meine Antwort im Schlusssatz, die so definitiv und abschliessend daherkommt, nur den Weg zu neuen Fragen ebnet.
Barbara