Sonntag, 23. Februar 2025

Der Strohhut

Meine DIY-Geschichte aus Noahs Zeit




Der Strohhut


Plötzlich trat die Sonne wieder zwischen den dichten, grauen Wolken hervor. Sie blendete Naema derart, dass sie ihre Augen mit den Händen schützen musste. Wollte sie weiter den Einzug der Tiere beobachten, dann blieb ihr nichts anderes übrig, als ins Innere der Arche gehen, um ihren Strohhut aus der Lade zu holen. Zurück auf der Reling - den Hut auf dem Kopf - konnte sie, ohne von der Sonne beeinträchtigt zu werden, von neuem mitverfolgen, wie Hunde, Katzen, Gänse, Enten, Hühner, Esel, Rinder, Ziegen und Schafe die Arches ihres Mannes Noah betraten.



KI-Foto


War das Vorhaben ihres Mannes wirklich so irrsinnig und abwegig, wie sie gedacht hatte? Konnte er nicht auf diese Art und Weise vielleicht ihr Hab und Gut und das Leben vieler Tiere und Menschen retten? Sie rückte den Strohhut noch etwas weiter in die Stirn. Diese Geste reichte, um ihre Gedanken weg von der Arche zu ihrem Strohhut schweifen zu lassen. Dieser war das erste Geschenk gewesen, dass ihr ihr Mann Noah, der flotte, braungebrannte Schreiner, kurz nach ihrem ersten Stelldichein gemacht hatte. Der Strohhut war etwas ganz Besonderes, nicht nur, weil er eine breite Krempe als Sonnenschutz hatte, sondern auch, weil ihn Noah selber aus Schilf und in einer ganz besonderen Webtechnik gefertigt hatte. Wie er ihr erzählt hatte, hatte er alle Arbeiten, die ein Strohhut brauchte, heimlich vorgenommen, vom Sammeln des Schilfs über das Wässern bis zum Flechten und Ausschmücken, denn er wollte nicht, dass ihn die anderen Männer des Stammes bei Frauenarbeit erwischten.

Naemas Strohut war ihr grosser Stolz. Sie trug ihn, so oft es ging. Er erfüllte sie mit Dankbarkeit und Freude, ja, manchmal auch ein bisschen mit Eitelkeit und heimlicher Schadenfreude. Die anderen Frauen hatten keine solche wunderbare Kopfbedeckung.
In dem Moment, als Naema über ihre beiden Schwächen nachzudenken begann, kam eine unerwartete Böe auf und fegte ihr den Hut vom Kopf. Da er nicht allzu schwer war, flog er schnell und weit davon.

Naema erschrak. Sie blickte fassungslos von der Reling der Arche ins Weite. Ihren Hut konnte sie nicht entdecken. Tränen traten ihr in die Augen, denn sie war zutiefst betrübt und traurig über diesen Verlust. Erst, als sie sich ein wenig beruhigt hatte, fand sie die Kraft, zurück ins Innere der Arche zu gehen. Naema, die viele Gegebenheiten und Ereignisse als Zeichen deutete, fragte sich, ob Gott wohl ihre Eitelkeit und Schadenfreude auf diese Art und Weise bestraft hätte.

Zurück im Innern sah sie, wie das Tor der Arche geschlossen wurde. Scheinbar befand sich nun alles, was mitgenommen werden sollte, in dem riesigen hölzernen Kasten, der sie vor der grossen Sintflut retten sollte. Sie trat näher zu den Tieren, um sie im Dunkeln besser erkennen zu können. Sie erkannte ihre Lieblingskatze Selah und Kaleb, den Wachhund ihrer Schwägerin. Und dort, was war denn das für ein seltsames, unbekanntes Tier? Was trug es auf dem Kopf? Naema trat näher und erkannte in dem gescheckten Vierbeiner ihre Ziege Gad. Auf Gads Kopf thronte, wie eine Trophäe, ein Strohut - ihr Strohhut.
Naema traute ihren Augen kaum. Da hatte doch Gad, deren Name "Glück" bedeutet, und die ihnen immer nahrhafte und wohlschmeckende Milch gab, nun auch noch ihren geliebten Strohhut gerettet. Wie auch immer er auf den Kopf ihres Haustieres gelangt war: Er war wieder da. So waren doch ihre Eitelkeit und Schadenfreude nicht so gross, dass sie Gottes Verärgerung hervorgerufen hätten. Naema, die, wie wir schon wissen, viele Gegebenheiten und Ereignisse als Zeichen deutete, fragte sich, ob Gott ihr wohl jetzt mit dem Wiederauftauchen des Strohhutes ein Zeichen sandte, eines, das ihr die Gewissheit geben sollte, dass das Vorhaben ihres Mannes Noah nicht abwegig oder irrsinnig war, sondern umsichtig und vernünftig. Und mit dieser Gewissheit konnte nun die Hoffnung einhergehen, dass ihre Arche es ihnen allen ermöglichen würde, die Sintflut heil und unversehrt zu überstehen.


Meine Gedanken

Die Geschichte von Noahs Arche, wie sie in verschiedenen Kulturen und Religionen erzählt wird, könnte durchaus auf tatsächlichen Ereignissen beruhen.
Um sich vor regelmässigen Überschwemmungen zu schützen, wie sie vielerorts oft vorkamen, könnten die Menschen dazu inspiriert worden sein, grosse Boote oder Archen zu bauen, um sich, ihre Tiere und ihr sonstiges Hab und Gut zu retten.


Übrigens

Meine "Strohhut"-Geschichte wurde inspiriert von Bild 365.



Barbara