und die Bundestagswahlen in Deutschland
Vom 21. Februar bis zum 24. Februar weilte Elfypsilon in Eisenach. Er wollte die Wartburg besuchen und miterleben, wie es war, wenn in Deutschland Bundestagswahlen stattfanden. Am Montag nach dem Wahlsonntag, nach dem Frühstück, hielt er mit Lisa, seiner Gastgeberin, die Lehrerin an einem der drei Gymnasien in Eisenach war, ein Gespräch.
Elfypsilon: Lisa, ich las eben die Resultate der Hochrechnungen der Bundestagswahlen. Wie es scheint, hat die Union einen Wahlsieg errungen. Sie verfügt aber nicht über die Mehrheit ihrer Sitze im Bundestag. Gab es eine solche Mehrheit überhaupt je schon einmal?
Lisa: In der Bundestagswahl 1957 erreichte die CDU/CSU unter Bundeskanzler Konrad Adenauer eine absolute Mehrheit der Stimmen . Dies war das erste und bisher einzige Mal, dass eine Partei die vollständige Kontrolle im Bundestag innehatte. In dieser damaligen Legislaturperiode konnte die CDU/CSU ohne Koalitionspartner regieren.
Elfypsilon: Verstehe ich das richtig? Wenn eine Partei nicht die Mehrheit erlangt, also aktuell nicht mindestens 315 der 630 Sitze im Bundestag gewinnt, dann braucht sie Koalitionspartner. Was aber versteht man darunter?
Lisa: Ein Koalitionspartner ist eine politische Partei, die sich der Partei, die die meisten Stimmen erhalten hat, anschliesst, um eine Regierung zu bilden, was heisst, gemeinsam den Kanzler zu wählen, Ministerposten zu besetzen und politische Entscheidungen mit einer stabilen Mehrheit im Bundestag durchzubringen. Es ist aber unbedingt wichtig, dass der potenzielle Koalitionsparter keine fundamental oppositionelle Haltung einnimmt und bereit ist, sich auf klassische politische Kompromisse einzulassen.
Elfypsilon: Ach, so ist das. Und wenn der Koalitionsparter gefunden ist? Wie geht es dann weiter?
Lisa: Die Koalitionspartner einigen sich anschliessend auf einen Koalitionsvertrag, der die gemeinsamen Ziele und politischen Massnahmen festlegt. Dabei wird auch über die Verteilung der Ministerposten verhandelt, damit jede Partei der Koalition entsprechend ihrer Stärke in der Regierung vertreten ist.
Elfypsilon: Angenommen, die CDU/CSU koaliert mit der SPD. Ist es dann möglich, dass auch jemand aus der Partei der Grünen oder der AfD einen Ministerposten erhält?
Lisa: Nein, das ist in der Regel nicht möglich. Die Ministerposten werden ausschliesslich an die Parteien verteilt, die Teil der Koalition sind. Wenn die CDU/CSU mit der SPD koaliert, dann werden die Minister aus diesen beiden Parteien stammen.
Parteien, die nicht an der Koalition beteiligt sind, gehören zur Opposition und haben keinen Anspruch auf Regierungsämter. Es sei denn, die Koalition entscheidet sich ausnahmsweise, parteilose Experten oder Fachleute in Ministerämtern zu berufen - aber das ist eher selten. Die AfD oder die Grünen würden in diesem Fall zur Opposition gehören und hätten keine Ministerposten.
Elfypsilon: Hast du mir Beispiele solcher Koalitionen?
Lisa: Ja, das habe ich. Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland gab es verschiedene Koalitionsregierungen:
Von 1949 bis 1963 war Konrad Adenauer (CDU) Bundeskanzler. Er regierte zunächst mit einer Koalition aus CDU/CSU, FDP und DP (Deutsche Partei). Nach der Bundestagswahl 1957 erreichte die CDU/CSU erstmals die absolute Mehrheit und konnte bis 1961 alleine regieren. Danach regierte Adenauer noch bis 1963 in einer Koalition mit der FDP, bevor er zurücktrat.
Von 1963 bis 1966 übernahm Ludwig Erhard (CDU) das Amt des Bundeskanzlers. Er regierte mit der FDP, doch die Koalition zerbrach 1966.
Von 1966 bis 1969 folgte die erste Grosse Koalition unter Kurt Georg Kiesinger (CDU) , bestehend aus CDU/CSU und SPD.
Von 1969 bis 1982 gab es die sogenannte Sozialliberale Koalition: Die SPD ging eine Koalition mit der Freien Demokratischen Partei (FDP) ein, zunächst unter Bundeskanzler Willy Brandt (1969–1974) und später unter Helmut Schmidt (1974–1982) .
Von 1982 bis 1998 regierte die Christlich-Liberale Koalition zwischen CDU/CSU und FDP unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) . In dieser Zeit fiel 1990 die Wiedervereinigung Deutschlands.
Von 1998 bis 2005 folgte die Rot-Grüne Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) , bestehend aus SPD und Grünen.
Von 2005 bis 2009 sowie von 2013 bis 2021 gab es die Grosse Koalition zwischen CDU/CSU und SPD unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) . Dazwischen regierte von 2009 bis 2013 erneut eine Christlich-Liberale Koalition aus CDU/CSU und FDP unter Merkel.
Bis zu den aktuellen Wahlen regierte die sogenannte Ampel-Koalition unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), bestehend aus SPD, Grünen und FDP.
Elfypsilon: Mit der Ampel-Koalition unter Olaf Scholz hat es ja scheinbar nicht geklappt. Wie kommt es zu solch grossen Differenzen, wenn ja ein Koalitionsvertrag besteht?
Lisa: Ich denke, dass solche Differenzen entstehen, weil ein Koalitionsvertrag zwar die grundlegenden politischen Ziele festlegt, aber nicht jedes Detail regeln kann. In den offenen oder nicht eindeutig geregelten Fragen treten dann die ideologischen Unterschiede stärker hervor.
Elfypsilon: Dann ist der Koalitionsvertrag so etwas wie das Führungsinstrument der Regierung?
Lisa: Genau! Der Koalitionsvertrag legt die politischen Leitlinien und gemeinsamen Ziele der Koalitionsparteien fest. Er dient als Grundlage für die Zusammenarbeit während der gesamten Legislaturperiode. Er ist eine politische Vereinbarung, die auf gegenseitigem Vertrauen und Kompromissbereitschaft basiert.
Elfypsilon: Wieso kann es dann zu Konflikten kommen?
Lisa: Wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern oder ein Partner sich nicht mehr an die Absprachen gebunden fühlt, kann es zu Konflikten kommen - und im schlimmsten Fall sogar zum Bruch der Koalition. In der vergangenen Ampel-Koalition führten vor allem die Schuldenbremse der FDP und das Heizungsgesetz der Grünen zu Konflikten. Aber auch der Krieg in der Ukraine verschärfte die Spannungen innerhalb der Regierung, da unterschiedliche Auffassungen über Waffenlieferungen, den Umgang mit Russland und die finanzielle Unterstützung der Bundeswehr herrschten.
Elfypsilon: Ich frage mich, weshalb es stundenlange Diskussionen über eine Vorlage im Bundestag gibt, wenn ja die Koalitionspartner wissen, dass sie diese durchbringen und die Opposition weiss, dass sie keine Chance hat?
Lisa: Diese Diskussionen sind ein wichtiger Teil der Demokratie. Sie dienen nicht nur dazu, die unterschiedlichen Positionen sichtbar zu machen, sondern auch dazu, die Bevölkerung zu informieren. Viele Bundestagsdebatten werden live übertragen, sodass die Menschen sehen können, wie Entscheidungen zustande kommen und welche Argumente es gibt.
Elfypsilon: Deutschland steht nun vor der Aufgabe, eine neue Regierung zu formen. Ich wünsche dem Land, dass es eine stabile Koalition findet, die taugliche Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft entwickelt. Meine letzte Frage an dich: Wann und durch wenn wir der Kanzler gewählt?
Lisa: Zur Kanzlerwahl kommt es nach dem Abschluss des Koalitionsvertrages. Sie erfolgt durch den Bundestag.
Elfypsilon: Danke, Lisa. Heute habe ich ganz viel gelernt.
Lisa: Gern geschehen, Elfypsilon!
Barbara