und die Schweizer Volksabstimmung vom 9. Februar 2025
Zwischen dem 3. und 5. Februar 2025 weilte Elfypsilon erneut in Bern. Mit Sebastian, dem ältesten Sohn seiner Berner Gastfamilie, verband ihn eine gute Freundschaft.
Gestern, an seinem letzten Abend in Bern, sprach er Sebastian auf die in der Schweiz am kommenden Wochenende stattfindende Abstimmung an. Der Ausserirdische wollte wissen, wie sich Menschen grundsätzlich eine Meinung bilden.
Elfypsilon: Sebastian, am 9. Februar 2025 stimmen die Schweizer Stimmberechtigten über die Umweltverantwortungsinitiative ab. Einige finden sie zu radikal, andere finden sie dringend nötig. Wie wirst du stimmen?
Sebastian: Ich werde "Ja" stimmen, denn ich finde, dass das Streben nach Profit nicht auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit der Menschen gehen darf.
Elfypsilon: Aber du bist dir bewusst, dass ein "Ja" zahlreiche neue Vorschriften und Verbote mit sich bringen würde?
Sebastian: Ja, das ist mir klar. Der Konsum würde ohne Zweifel eingeschränkt.
Elfypsilon: Und dich bringt auch die Aussicht, dass die Wirtschaft unter Umständen geschwächt würde und sich Produkte und Dienstleistungen verteuern würden nicht von deiner Meinung ab?
Sebastian: Nein, ganz und gar nicht.
Elfypsilon: Kannst du mir erklären, wieso das so ist? Hat das etwa allgemein etwas mit dem Meinen zu tun?
Sebastian: Ja, so ist es. Die Meinung hat mehr mit dem Menschen zu tun, der sie hat, als mit der Sache, worum es geht.
Elfypsilon: Dann hat dein "Ja" zur Umweltverantwortungsinitiative mehr mit dir selbst als Person zu tun, als mit der Initiative.
Sebastian: Ja, so ist es. Ich selbst finde, dass alle ein Recht auf gesunde Lebensmittel, reines Trinkwasser und saubere Luft haben. Dieses Anliegen gründet auf einem Prinzip, das mir sehr wichtig ist und das viele Menschen mit "Bewahrung der Schöpfung" bezeichnen. Die natürlichen Grundlagen zu erhalten ist für mich eine Frage der Verantwortung - zu leben und zu konsumieren auf eine Weise, die sowohl die Umwelt schont als auch zukünftigen Generationen eine lebenswerte Welt hinterlässt.
Elfypsilon: "Die Bewahrung der Schöpfung" ist ein Prinzip, das Verantwortung bedeutet. Es ähnelt einem Gebot.
Sebastian: Ja, es kommt tatsächlich einem Gebot gleich. Erstaunlich ist, dass alle Schöpfungsmythen die Idee der Bewahrung in sich tragen, nur vielleicht in anderen Worten. In vielen Kulturen existiert deshalb die Vorstellung, dass die Menschheit eine Schutzfunktion für die Erde und ihre Ressourcen übernehmen soll. So soll der Mensch als Hüter auftreten, als Verwalter oder als Wächter. Alle Schöpfungsmythen sprechen von einer Verantwortung, die wir gegenüber unserer Welt haben.
In diesem Sinne tue ich die Schöpfungsmythen nicht als überholte Märchen ab, wie leider viele das tun. Als symbolisch zu verstehende Überlieferungen legen sie die Basis für unsere Verantwortung in der Welt. Sie beeinflussen Moral und Ethik einer Gesellschaft.
Elfypsilon: Dann haben sich schon Generationen und Abergenerationen vor dir dieses Schöpfungs-Gebot auferlegt. Und so steht es auch bei dir über allen Sachargumenten und Einwänden.
Sebastian: Ja, genau. Ich kann nicht anders, als "Ja" zu stimmen.
Elfypsilon: Dann ist es auch so, dass es nicht unbedingt die Sachargumente sind, die einem etwas so und nicht anders meinen lassen.
Sebastian: Ja, das ist so: Kommt bei einem Thema, zu dem man sich eine Meinung macht oder machen muss, ein Prinzip ins Spiel, das einem wichtig ist, dann verlieren die Sachargumente an Bedeutung.
Elfypsilon: Ist das dann auch der Fall bei biografischen - wie soll ich sagen? - bei biografischen Gegebenheiten?
Sebastian: Wenn du damit meinst, dass auch die Herkunft, der Beruf oder das Alter die Meinung bestimmt, dann würde ich "Ja" sagen.
Elfypsilon: Wenn das so ist, dann müsste sich ja jede Meinungsdebatte lediglich auf Sachargumente reduzieren.
Sebastian: Nicht unbedingt. Man muss in der Diskussion auch die jeweiligen Prinzipien beachten. Auf Sachargumente kontert man mit Sachargumenten, auf Prinzipien mit Gegenprinzipien, auf Biografisches mit Biografischem.
Elfypsilon: Ich verstehe nicht ganz. Kannst du mir Beispiele geben?
Sebastian: Natürlich. Ein Gegenprinzip zu meiner "Bewahrung der Schöpfung" könnte das "Recht auf freie wirtschaftliche Entfaltung" sein. Und wenn jemand sagt, dass junge Menschen zu idealistisch denken, könnte das biografische Gegenargument sein, dass gerade ihre Unerfahrenheit sie offener und empfänglicher für ökologische und soziale Themen macht, weil sie unbelasteter und mit weniger Druck an diese Thematik herangehen können.
Elfypsilon: Man muss also in einem Streitgespräch erkennen, ob sich die Argumente auf der Sachebene, der Prinzipenebene oder der biographischen Ebene befinden. Das ist nicht leicht.
Sebastian: Nein, das ist sogar äusserst schwierig, denn es geht nicht nur darum, gut zuzuhören, sondern auch darum, die tieferen Beweggründe und Werte zu erkennen, die hinter den Äusserungen einer Person stehen können.
Elfypsilon: Jetzt verstehe ich besser, warum die Meinungsfreiheit ein Menschenrecht ist. Wären Meinungen nur Summen von Sachargumenten, bräuchtet ihr Menschen dieses Recht wahrscheinlich nicht. Aber eine Meinung spiegelt die Person weiter, die sie vertritt. Der Respekt vor der Person impliziert den Respekt vor ihrer Meinung.
Sebastian: Genau, und das ist der Grund, warum Meinungsfreiheit so fundamental ist. Sie schützt nicht nur unsere Gedanken und Worte, sondern auch unsere Biografie, unsere Werte und Prinzipien und unsere Freiheit, uns darüber zu äussern. Ohne die Meinungsfreiheit könnten wir nicht wir selbst sein, und ohne dieses Recht gäbe es keine echte Diskussion und keine Entwicklung in unserer Gesellschaft.
Elfypsilon: Ich sehe, dass die Meinungsbildung ein äusserst komplexer und vielschichtiger Vorgang ist. Jedes "Ja", das es am Sonntag geben wird, mag gleich erscheinen, doch dahinter stehen so viele unterschiedliche Beweggründe, wie es "Ja"-Stimmen gibt. Ich danke dir herzlich für das Gespräch.
Sebastian: Auch ich danke dir!
Barbara