Montag, 3. Februar 2025

Elfypsilon

und die Selbstdisziplin



Wir wissen bereits, dass Elfypsilon Mitte Oktober 2024 in Nagasaki weilte. Dort führte er mit Akira, einem neu gewonnenen Freund, ein tiefgehendes Gespräch. Es ging darum, wie Selbstdisziplin die persönliche Entwicklung beeinflusst.


 

Elfypsilon: Akira, seit ich in Nagasaki bin, habe ich festgestellt, dass viele Menschen hier sehr selbstdiszipliniert sind. Sie stehen früh auf, planen ihren Tag genau und halten sich strikt an ihre Zeitpläne. Sie sind ordentlich, pünktlich und zuverlässig.

Akira: Ja, das stimmt. Wir in Japan legen grossen Wert auf Selbstdisziplin, besonders in der Schule und am Arbeitsplatz. Wir sind der Überzeugung, dass ohne Selbstdisziplin kein persönliches Wachstum möglich ist. Selbstmanagement und persönliches Wachstum gehen sozusagen Hand in Hand.

Elfypsilon: Dann ist es also so, dass immer dann, wenn man den eigenen inneren "Schweinehund" bezwungen hat, das Gefühl der Selbstanerkennung gestärkt wird.


Akira: Ja, genau. Die Befriedigung darüber, dass man eine Herausforderung gemeistert hat - sei diese auch noch so klein - kann das Gefühl der Selbstanerkennung stärken. Es entsteht ein positiver Kreislauf: Mehr Selbstdisziplin führt zu mehr Erfolgen, die man sich selbst zuschreibt, was wiederum das Selbstwertgefühl und die Motivation erhöht.

Elfypsilon: Aha, jetzt verstehe ich genauer, was die Studien, über die ich kürzlich gelesen habe, besagen wollten. Diese deuteten darauf hin, dass Selbstdisziplin zu grösserem Glück führen kann. Dieses Glück - oder zumindest die eigene Zufriedenheit - steht in Zusammenhang mit der Selbstanerkennung und dem Selbstwertgefühl.

Akira: Genau so ist es.

Elfypsilon: Ist es möglich, Selbstdisziplin zu trainieren, respektive Kindern das Positive an dieser Fähigkeit aufzuzeigen?

Akira: Absolut, Selbstdisziplin ist definitiv etwas, das man trainieren und Kindern erfolgreich beibringen kann. In Japan beginnen wir früh damit, Kindern beizubringen, wie wichtig Selbstdisziplin für ihre Selbstanerkennung, ihren Selbstwert und ihre Zufriedenheit ist. Durch regelmässige Routine, klare Regeln und positive Verstärkung lernen sie, dass Ordentlichkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Freundlichkeit wichtige Grundlagen für das persönliche Wachstum und die persönliche Entwicklung sind. Auch sollten Eltern, Lehrer oder andere Bezugspersonen diesbezüglich Vorbilder sein.

Elfypsilon: Ich beobachte aber, seit ich hier in Japan bin, dass viele Menschen nicht glücklich scheinen. Das ist doch ein Widerspruch? 

Akira: Ja, ich stelle auch fest, dass viele Menschen sich unzufrieden, unglücklich oder verloren fühlen und unter enormem Stress stehen. Sie sind überarbeitet und finden kaum Zeit für persönliche Entspannung oder für Freizeitaktivitäten. Zunehmend häufiger treten Burnouts, Depressionen und Suchtabhängigkeiten auf. Die enorm hohe Suizidrate in Japan ist ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem.

Elfypsilon: Kann es sein, dass dies so ist, weil Selbstdisziplin nicht mehr dem persönlichen Wachstum dient, sondern eher dem Streben nach Erfolg, gesellschaftlicher Anerkennung oder finanziellem Zugewinn?

Akira: Du bringst es auf den Punkt, Elfypsilon. Wie in vielen anderen Bereichen auch, ist der Beweggrund bei der Selbstdisziplin entscheidend. Ich unterscheide daher zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Intrinsische Motivation zielt auf persönliches Wachstum und Selbstbelohnung ab. Extrinsische Motivation hingegen richtet sich nach materiellen Gewinnen und äusseren Belohnungen.

Elfypsilon: Es ist also die Verbindung mit den eigenen Werten und Zielen die Selbstdisziplin nachhaltig und bereichernd macht und nicht das blosse Streben nach äusserem Erfolg oder materiellen Belohnungen. Selbstdisziplin kann also auch ins Negative kippen.


Akira: Selbstdisziplin kippt dann ins Negative, wenn sie entweder nicht gelebt und kultiviert wird oder wenn sie sich gesellschaftlichen, sozialen oder beruflichen Erwartungen unterwirft oder unterwerfen muss. In Japan sind genau aus diesem Grunde der wirtschaftliche Druck, die soziale Isolation und der hohe Erwartungsdruck der Gesellschaft zu signifikanten Stressoren geworden.


Elfypsilon: Siehst du einen Zusammenhang zwischen dem heute in bestimmten Gesellschaften auf der Erde vorherrschenden Konsumismus und diesen beiden negativen Ausprägungen der Selbstdisziplin?

Akira: Ja, das tue ich definitiv. Der Konsumismus fördert eine Kultur, in der sofortige Befriedigung und materieller Besitz oft höher bewertet werden als langfristige Ziele und persönliche Entwicklung. Diese Konsumkultur verstärkt die extrinsische Motivation und Menschen werden dazu angehalten werden, ihre Selbstdisziplin in den Dienst kurzfristiger Belohnungen und in soziale Anerkennung durch Besitz und Status zu stellen. Dies kann die intrinsische Motivation untergraben und dazu führen, dass die Selbstdisziplin nicht mehr der persönlichen Entwicklung dient, sondern der Erfüllung gesellschaftlich aufoktroyierter Erwartungen. Das Resultat ist oft eine Entfremdung von den eigenen Werten und eine Vernachlässigung des persönlichen Wachstums.

Elfypsilon: Das ist ja höchst bedenklich. Die Lösung kann eigentlich nur "Verzicht" heissen. 

Akira: Ja, auch ich denke, dass nur der Verzicht aufs Übertreiben, auf Masslosigkeit, auf das unreflektierte Streben nach materiellen Gütern und auf das ständige Vergleichen mit anderen dieser Entfremdung von dem, was wirklich wichtig ist, wirksam begegnen kann.

Elfypsilon
: Akira, ich danke dir sehr für dieses tiefgehende Gespräch. Es hat mir wertvolle Einsichten in die unterschiedlichen Aspekte der Selbstdisziplin gegeben, insbesondere über den Unterschied zwischen persönlichen Zielen und äusseren Erwartungen. Ich hoffe, dass wir beide weiterhin Wege finden, um unsere eigene Selbstdisziplin auf eine Weise zu fördern, die unser wahres Wohlbefinden unterstützt.


Akira: Vielen Dank, Elfypsilon. Auch ich habe viel gelernt. Solche Diskussionen sind wichtig sind, um unser Verständnis von Selbstdisziplin und deren Auswirkungen auf unser Leben zu vertiefen. 


Barbara