Freitag, 27. Juni 2025

Wird man aus Erfahrung klug?

Meine persönliche Antwort


In meinem heutigen Blog-Beitrag möchte ich die Frage beantworten, wie weit das Sprichwort "Aus Erfahrung wird man klug" heute noch Gültigkeit hat.

Dazu ein Beispiel: Herr X kochte das erste Mal One-Pot-Pasta. Er hatte ein tolles Rezept, und das Gericht gelang ihm gut. Er erntete viel Lob von seiner Familie. Das Projekt "One-Pot-Pasta" war für ihn ein schönes und lehrreiches Erlebnis.



Nicht alle unsere Erlebnisse sind so positiv wie das von Herrn X. Doch alle - die angenehmen wie die negativen - haben etwas gemeinsam: Man kann sie verarbeiten, reflektieren und aus ihnen lernen, das heisst: Erkenntnisse bzw. Wissen gewinnen. Im philosophischen Sinn wird ein durchlebtes Erlebnis oder Ereignis als 
Erfahrung bezeichnet - unabhängig davon, ob daraus bewusst gelernt wurde oder nicht.

Um besser zu verstehen, ob Erfahrungen wirklich klug machen, unterscheide ich in meinem Aufsatz drei Formen von Wissen.

1. Faktenwissen
Beispiel: One-Pot-Pasta braucht mehr Kochzeit als herkömmlich gekochte Pasta.

2. Funktionswissen
Beispiel: Die im Wasser gelöste Stärke der Pasta bindet die Sauce und verbindet die Zutaten besser.


3. Ethisch-spirituelles Wissen
Beispiel: Auch ein Gericht, das einfach in der Zubereitung ist, kann ein tolles Gericht sein. Es braucht nicht immer Chichi und grossen Aufwand, denn das gute Gefühl liegt oft in der Einfachheit.

Ist Herr X mit seiner One-Pot-Pasta nun klüger geworden?

Ja, ich denke, das ist er. Dies aber nicht, weil er sich Fakten- und Funktionswissen angeeignet hat, sondern weil er sich mit Fragen nach Sinn und Orientierung auseinandersetzte. So ist er eben zur Erkenntnis gelangt, dass das gute Gefühl oft in der Einfachheit liegt.

Klüger wird man ausschliesslich, wenn man sich ethisch-spirituelles Wissen aneignet. So weiss man, was fürs Leben wesentlich ist, was einem hilft Wichtiges und Richtiges zu erkennen und "Gutes" und "Schlechtes" auseinanderzuhalten. Fakten- und Funktionswissen machen kompetent, schlau, gescheit, aber nicht klug. 

Um das Theoretische des ethisch-spirituellen Wissens anschaulicher zu machen, möchte ich dem konkreten Pasta-Beispiel einige weitere Erkenntnisse des Herrn X zur Seite stellen.

- Herr X weiss, dass die "Jagd" nach Prestige kaum Raum für innere Entwicklung lässt.


- Herr X weiss, dass Verzicht nicht Verlust bedeuten muss, sondern Freiheit.

- Herr X weiss, dass Fehler nicht peinlich sein müssen, sondern Lernmomente sein können.

- Herr X weiss, dass Zuhören manchmal mehr bewirkt als Argumentieren.

Wie die Beispiele zeigen, resultiert aus der Auseinandersetzung mit Fragen nach Sinn und Orientierung tatsächlich ethisch-spirituelles Wissen. Daraus wachsen unsere Grundhaltungen, unser Umgang mit Gefühlen und Erinnerungen, unsere Beziehung zu uns selbst und zur Welt. Wir finden zu eigenen Prinzipien und zu persönlichen Werten. Nicht selten werden sich unter diesen auch überlieferte ethische Überzeugungen, Regeln und Gebote finden, denn viele Weisheiten unserer Vorvorfahren sind zeitlos.


Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Ja, aus Erfahrung wird man klug - vorausgesetzt, man will es auch wirklich werden. Fehlen die Bereitschaft und die Fähigkeit, innezuhalten, in sich zu gehen, über sich selbst und über das, was passiert ist, zu reflektieren und Schlüsse und neue Erkenntnisse aus diesen Gedanken zu ziehen, dann bildet sich ethisch-spirituelles Wissen nicht aus.

Ist das Wissen einmal da, dann braucht es - wie beim Fakten- und Funktionswissen-  "Training", um es nicht wieder zu verlieren. Herr X' Erkenntnis, dass das gute Gefühl oft in der Einfachheit liegt, muss durch stetige Wiederholungen gefestigt werden. Er muss folglich bewusst "Einfaches" tun.

Herr X wird wahrscheinlich bald wieder einmal One-Pot-Pasta kochen. Und wer weiss - vielleicht sammelt er dabei weitere Erfahrungen, die ihn noch "klüger" machen. 🙂

Barbara