Freitag, 4. April 2025

Frühling an der Seine

Meine DIY-Geschichte


Dieses Bild inspirierte mich zu einer Geschichte, die an der Seine ihren Anfang nimmt.


Ein bereits bekannter Charakter aus meinem Blog spielt in der Geschichte eine wichtige Rolle, ist aber nicht der Protagonist. Es handelt sich um Gao Jin, den Mathematikstudenten aus Shanhai.

Entscheidung im Yu-Garten

Entspannung im Yu-Garten



Frühling an der Seine


Chen Ming klappte sein schwarzes Skizzenbuch zu und stand von seinem Feldschemel auf. Es war zwar erst Mittag, aber er war mit dem, was er gemalt hatte, vollkommen zufrieden. Er hatte den Frühling an der Seine gut hinbekommen. Das helle Grün der Weiden kontrastierte optimal mit dem satten Blau des Himmels und dem verwaschenen Blaugrün des Flusses. Die Blumen, die er am Ufer der Seine gemalt hatte - es war dies Löwenzahn - waren nicht einfach gelbe Tupfer, sie führten einen gezielt durchs Aquarellbild. Ja, Chen Ming fand, dass das Bild gelungen war und er bedauerte es nicht, die Wohnblocks am anderen Ufer der Seine unterschlagen zu haben. Sein Bild war zwar kein "Monet", aber das Malen im "Parc Pierre Lagravère" hatte ihm grosse Freude und Befriedigung geschenkt.


Schon zu Hause in Hongkong war Malen für ihn als Ausgleich zum Studium wichtig gewesen. Nun aber fand er es an der Zeit, wieder zurück in sein Studentenwohnheim zu gehen. Chen Ming wollte gerade sein Buch im Rucksack verstauen, als er ein vertrautes "Ni Hao" vernahm. Er drehte sich um und sah einen sympathischen jungen Mann neben sich stehen. Die beiden Chinesen kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass sowohl Chen Ming als auch Gao Jin ein Auslandsemester an der Sorbonne absolvierten. Dass sie sich an der grossen und renommierten Uni noch nie getroffen hatten, war wohl den unterschiedlichen Fakultäten, denen sie zugehörig waren, zuzuschreiben. Chen Ming studierte Umweltbiologie und Gao Jin Mathematik. In ihrem weiteren Gespräch fanden sie heraus, dass sie eine gleiche Leidenschaft teilten. Beide malten. Ming bevorzugte Aquarell, was er mit seinem "Frühling an der Seine" seiner neuen Bekanntschaft sogleich zeigte. Jin hatte sich der Tuschemalerei verschrieben. Und beide Studenten teilten die Begeisterung für die französischen Impressionisten. Sie beschlossen, zusammen mit dem Bus von Argenteuil, wo es mittlerweile schon halb zwei geworden war, zurück nach Paris zurückzugehen, um sich dort im "La Grange", das beide kannten, einen kleinen Imbiss zu genehmigen und das Kennenlernen zu vertiefen. Aus Chen Ming und Gao Jin wurden während ihres Semesters in Paris die besten Freunde, obwohl sie, ausser dem Malen, kaum Gemeinsamkeiten aufzuweisen hatten. Sie absolvierten beide ganz unterschiedliche Studien, kamen aus kaum vergleichbaren Städten - Hongkong und Shanghai - und sie stammten aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Ming hatte wohlhabende Eltern, die ihm das Auslandsstudium bezahlten. Jins Eltern waren weniger begütert, und er konnte nur in Paris studieren, weil er dank seiner herausragenden Arbeit über die "Faktorisierung in Schief-Polynomringen" ein Stipendium gewonnen hatte. Sie stellten aber immer wieder fest, dass eine Begeisterung und eine Leidenschaft für ein gleiches Thema Menschen zusammenbringen konnte, egal wie vieles sie sonst trennte. Und sie fanden das gut so.


Barbara